2001 wurde das Unmögliche plötzlich möglich gemacht, als der japanische Whisky Nikka den ersten Platz gewann bei der Preisverleihung des Whisky Magazine. Es war nämlich das erste Mal, dass ein nicht-schottischer Whisky die Preisverleihung gewann. Dabei hatte man in Japan erst 1924 überhaupt damit angefangen, Whisky kommerziell zu verkaufen, zu einer Zeit, in der die amerikanische Prohibition den Rest der Whisky-Welt in Chaos versetzte. Doch die Japaner kümmerte nicht, was außerhalb des Landes der aufgehenden Sonne vorging – in aller Ruhe und ergebenster Konzentration experimentierten sie und meisterten die Techniken der schottischen Whisky-Brenner.

Lange belächelte man den Whisky der Japaner und betrachtete ihn als zweitklassige Nachahmung des schottischen Originals. Wieso sollte man denn auch einem Japaner die Aufgabe eines Schotten anvertrauen? Außerdem sagt man den Japanern ja auch nach, dass sie angeblich keinen Alkohol vertragen. Es erscheint beinahe paradox, dass die Japaner, die so weit weg leben und deren Politik für eine lange Zeit völlig isoliert von der Außenwelt war, plötzlich anfangen, ihren eigenen „Scotch“ Whisky herzustellen. Außerdem gibt es auf den japanischen Inseln momentan auch nur gerade mal neun Whisky-Brennereien. Aber der Preis von 2001 war kein Einzelfall: seit den letzten fünfzehn Jahren gewinnen die verschiedenen Whiskys der japanischen Whisky-Brenner jedes Jahr internationale Preise in verschiedenen Kategorien. Auch bei Blind Tastings des Whisky Magazine, bei dem schottische und japanische Whiskys gemeinsam antreten, ist es nicht unüblich, dass die japanischen Whiskys ihren schottischen Artverwandten die Preise wegschnappen.

Um Ihnen die Welt der japanischen Whiskys näher zu bringen, beleuchten wir in diesem Artikel zunächst die Geschichte des japanischen Whiskys. In Zukunft werden wir Ihnen auch einen Leitfaden vorstellen in dem wir erläutern, wie die Japaner ihren Whisky trinken und welche japanischen Whisky Ihnen zur Auswahl stehen.

Japanischer Whisky: Eine Fehde

Um die Geschichte japanischen Whiskys zu erzählen, muss man die Geschichte einer Fehde aufbringen, die mittlerweile fast ein Jahrhundert alt ist.

Wie auch bei den schottischen Whiskys macht der Blended Whisky einen Großteil des japanischen Whisky-Markts aus. Außer der Tatsache, dass es in Japan nicht mal ein Dutzend Whisky-Brennereien gibt, wird hier das Blending zusätzlich noch dadurch erschwert, dass sich die zwei größten und erfolgreichsten Whisky-Hersteller weigern, untereinander Whiskys auszutauschen. Suntory und Nikka sind es, die noch heute die Fehde zweier Männer aufleben lassen und erbittert gegeneinander antreten, um den perfekten Whisky herzustellen.

Ein japanischer Chemiker in Schottland

Im frühen zwanzigsten Jahrhundert kam es, dass zwei verschiedene Männer zusammenarbeiteten, um den ersten japanischen Whisky herzustellen. Es erscheint wie Schicksal, dass sich ihre Pfade kreuzten.

Einerseits war da der junge Masataka Taketsuru, der 1894 in eine Familie geboren wurde, der seit dem 18. Jahrhundert eine Sake-Brauerei gehörte. Er wurde zu einem gelernten Chemiker und 1918 wurde er von der Settsu Shuzo Firma angeheuert, um den ersten japanischen Whisky herzustellen.

Taketsuru entpuppte sich sehr schnell als Mann mit starkem Eigenwillen, als er sich entschied, zunächst nach Schottland zu gehen, um die Geheimnisse der Whisky-Meister zu lernen. Er studierte an der Universität von Glasgow und er ging im Laufe seiner zwei Jahre Aufenthalt in Schottland an drei verschiedenen Brennereien in die Lehre. Zuerst war er an der Longmorn Brennerei in der Speyside Region und danach war er an der James Calder & Co.’s Bo’ness Brennerei in der Lowlands Region. Bevor er zu seiner dritten und letzten schottischen Brennerei kam, der Hazelburn Brennerei in Campbeltown, heiratete er im Januar 1920. Die glückliche Dame hatte er wenige Monate nach seinem Eintreffen in Schottland getroffen und hieß Rita Cowan. Beide Familien waren gegen die Hochzeit, doch davon ließ sich das Paar nicht abbringen.

Vom September 2014 bis März 2015 wurde in Japan täglich die Dramaserie Massan ausgestrahlt, die auf dem Leben dieses Liebespaares basiert und die Geschehnisse detaillierter darstellt, als hier möglich ist. Wer im Internet sucht, der wird auch schnell fündig: englisch untertitelte Versionen aller Episoden des Dramas können auf diversen Internetseiten gefunden werden.

Im November 1920 kehrte Taketsuru mit seiner Vermählten nach Japan zurück. Sein Arbeitgeber, für den er ursprünglich nach Schottland gereist war, ging 1922 jedoch in Folge des Börsencrash bankrott.

Der Rote Ball und die Saftfabrik

Um den Traum des ersten japanischen Whisky zu verwirklichen, benötigte es noch eines anderen Mannes. Dieser hieß Shinjiro Torii, ein Mann, der 1899 im Alter von 20 Jahren begann, in seinem eigenen Ladengeschäft importierte Weine zu verkaufen. Doch er träumte davon, diese westlichen Genüsse selber herstellen zu können und an den japanischen Gaumen anzupassen. 1907 bereits kreierte er einen süßen Portwein, den er „Akadama“ taufte. Damit gelang ihm der erste Durchbruch, denn Akadama war so erfolgreich, dass er auch heute noch überall in Japan erhältlich ist. Der Name Akadama heißt zu deutsch wörtlich „Roter Ball“, eine Umschreibung für die Sonne. Das brachte Torii später auf die Idee, das englische Wort „Sun“ mit der anglisierten Fassung seines Familiennamens zu kombinieren, um den Markennamen „Suntory“ zu erschaffen.

Torii strebte danach, nur die besten Produkte herzustellen und zu verkaufen. Er glaubte nämlich fest daran, dass auch alle Werbung der Welt nichts bringen würde, wenn das Produkt an sich nicht gut genug ist. Man sagt Torii außerdem nach, dass er sich als Arbeitgeber stets eine warme und bodenständige Persönlichkeit erhielt. So bestand er stets darauf, von seinen Angestellten nicht Shacho (Präsident), sondern Taisho (Chef) genannt zu werden.

1923 kam es dazu, dass Torii Taketsuru anheuerte, um den ersten japanischen Whisky herzustellen. Taketsurus Traum war es, eine Brennerei auf der abgelegenen nördlichen Insel Hokkaido zu erbauen, da er glaubte, dass diese Region des Landes am ehesten dem Klima Schottlands entsprach. Torii entschied jedoch, die erste japanische Whisky-Brennerei, Yamazaki, in einem zentraleren Teil des Landes anzusiedeln. Taketsuru half trotzdem, die Yamazaki-Brennerei in der Nähe von Kyoto zu erbauen, und er arbeitete als erster Leiter der Brennerei. Torii entschied sich für diese Region, da sie berühmt war für ihr reines und klares Wasser. Auch der legendäre Teemeister Sen no Rikyū hatte hier im 16. Jahrhundert sein Teehaus erbaut.

Doch wie man bereits sah, hatte Taketsuru einen zu starken Eigenwillen, um sich unterzuorden und seinen ursprünglichen Traum aufzugeben. Auch seine Frau Rita ermutigte ihn dazu, selbständig zu werden. 1934 verließ er Toriis Firma und gründete die Yoichi Brennerei in dem gleichnamigen Dorf in Hokkaido. Zunächst lautete der Name seiner eigenen Firma „Dai Nippon Kaju“, was wörtlich „große japanische Saftfabrik“ heißt. Denn während der Whisky in den Fässern reifte, verdiente er sich in den ersten Jahren sein Geld damit, Fruchtsaft aus den Apfelbäumen Hokkaidos herzustellen. Als 1952 sein Whisky bereit für den Verkauf war, nahm er den Namen Nikka an, was eine Zusammenziehung der beiden Wörter Nippon und Kaju war.

Neblige Küste Hokkaido

Die neblige Küste Hokkaidos – Bildquelle mcn_coppi auf Flickr CC BY-SA 2.0, via Flickr

Man sieht also, dass die Geschichte des japanischen Whiskys einerseits die Geschichte zweier Männer spiegelt, die zunächst zusammenarbeiteten, um den ersten japanischen Whisky herzustellen, aber sich mit der Zeit wieder trennten, da sie unterschiedliche Meinungen zur Whiskyherstellung hatten. Andererseits ist es auch die Geschichte eines Mannes und einer Frau. Es ist die Geschichte einer Rivalität und die Geschichte einer Romanze.

Hat Sie die Geschichte der japanischen Whiskybrenner auch schon gepackt? Teilen Sie uns Ihre Meinung gerne in den Kommentaren mit.